Praxis und Politik beim Lieferkettentag 2024
Unter dem Titel „Globalisierung unter Druck? Lieferketten sichern und diversifizieren“ fand Anfang November der Deutsche Lieferkettentag 2024 statt.Wie schon die Erstveranstaltung im letzten Jahr hatte auch der zweite Lieferkettentag mit ca. 200 Teilnehmern großen Zulauf. Erfreulich war, dass auch in diesem Jahr der Mix aus politischen und strategischen Gesprächsrunden überzeugte. Mit handfesten Praxistipps aus der konkreten Umsetzung von betrieblichen Entscheidungen vor dem Hintergrund neuer Gesetze und geoökonomischer Rahmenbedingungen konnten das Publikum einiges mitnehmen. Dabei lag dieses Jahr der Schwerpunkt eindeutig auf der Bewertung der geoökonomischen Risiken sowie den damit verbundenen sicherheitspolitischen Überlegungen und Aktivitäten der Bundeswehr und ihrer Partner in der NATO.
Nach einem auch die Wahlergebnisse aus den USA vom Vorabend in einer ersten Analyse aufgreifenden Impuls von BGA-Präsident Dr. Dirk Jandura erläuterte der politische Direktor aus dem Bundesministerium der Verteidigung Dr. Jasper Wieck die Herausforderungen und Antworten der Bundeswehr, konkret der Bundesmarine, auf die Sicherung der maritimen Handelsrouten. Wenig verwunderlich fiel gelegentlich der Vergleich mit der mittelalterlichen Hanse.
Das folgende Panel unter der Überschrift „Lieferketten in Zeiten geopolitischer Spannungen“ unter Moderation der Abteilungsleiterin Europa beim BGA, Lisa-Marie Brehmer, adressierte dann auch klar und deutlich, was Deutschland sowie Kommission und Parlament in Brüssel tun müssen, damit unsere Lieferketten, im Im- wie im Export, stabil bleiben. Klar wurde dabei, dass es ein „weiter so“ nicht geben könne, seien die Wettbewerbsbedingungen des Standortes aktuell zu schlecht, die Potenziale des Binnenmarktes bei weitem noch nicht ausgeschöpft, Regulatorik und Gesetzesrahmen zu strikt und sicherheits- sowie diplomatische Initiativen weiter zu intensivieren, damit Deutschland und Europa nicht abgehängt werden.
Im folgenden Beitrag legte dann auch Eckhard Schwarzer, Der Mittelstandsverbund-Präsident, den Finger in eine weitere Wunde: die Defizite bei der Digitalisierung. Detailliert und kenntnisreich legte er die Schnittstellenprobleme schonungslos offen und forderte einen radikalen Umbau der deutschen Verwaltungs- und Prozesslandschaft. Erfreulich war auch das Podiumsgespräch zwischen Dr. Carsten Stender, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, Der Mittelstandsverbund. So wurde deutlich, dass man seitens des BMAS ernsthaft an untergesetzlichen Maßnahmen arbeite, um die Last des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) handhabbarer zu machen. Schließlich lerne man täglich dazu. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass es keinen Weg zurück mehr gebe, und die Umsetzung der CSDDD in deutsches Recht vorbereitet werde. Dr. Stender appellierte, dass man doch auch die Vorteile eines gesetzlich induzierten Lieferkettenscreenings als Steigerung der Resilienz der eigenen Lieferketten mehr erkennen solle. Dies sei in der heutigen Zeit für alle Wirtschaftsakteure ein Muss.
Diesen Faden aufnehmend diskutieren im Anschluss Mittelständler unter Moderation von Martin Groß-Albenhausen, stv. Hauptgeschäftsführer des bevh, ihre bisherigen Ansätze, Verfahren und Erfahrungen bei Screening und Diversifizierung ihrer jeweiligen Lieferketten. Dabei wurde deutlich, dass dies zwar teils einen erheblichen Aufwand darstelle, man aber durchaus Nutzen sehe bzw. erkennen könne. So sei insbesondere der Dialog mit den Partnern deutlich intensiver geworden und man sei nun sicherer, was die Resilienz der jeweiligen Lieferketten angehe.
Den Abschluss des Tages bildete das Podium „Berichtspflichten small and simple, aber wie“ unter Moderation von Marius Müller-Böge, Leiter Mittelstandspolitik, Der Mittelstandsverbund. Die Panelteilnehmer stellten dabei nicht nur ihre Ansätze vor, sondern forderten unisono von der Politik, umgehend für mehr Kohärenz der unterschiedlichsten Gesetze zu sorgen. So sei es für Unternehmen extrem aufwändig, die jeweiligen Vorschriften aus CSDDD, CSRD, EUDR und LkSG effizient aufzubereiten. Vieles sei doppelt und damit nicht nur ineffizient, sondern sorge auch für Unsicherheit. Großes Echo fand auch der Ansatz des Import-Promotion Desks des BGA schon im Vorfeld der Berichte aktiv zu werden, durch Lieferantentrainings. Damit werde gewährleistet, Partner im Ausland auf die Anforderungen von deutschen Importeuren vor dem Hintergrund der Berichtspflichten vorzubereiten. Applaus erhielt auch die Forderung an die Politik, sich den Berichtspflichtenkanon noch einmal genau anzusehen und kritisch zu hinterfragen bzw. nachzusteuern. So müsse man den Unternehmen mehr Vertrauen entgegenbringen. Denn, auch das sei Wahrheit, gestalteten die Mehrzahl der Unternehmen schon seit längerem ihre Lieferketten im Sinne der ESG-Kriterien sowie einer eigenen Risikobewertung und das ohne gesetzlichen Zwang.
Das Programm des Tages kann noch einmal hier nachgelesen werden: Deutscher Lieferkettentag 2024 | Deutscher-Lieferkettentag. Zur Bildergalerie gelangen Sie hier. Aufgrund der nach wie vor hochaktuellen Thematik wird derzeit überlegt, auch in 2025 einen Lieferkettentag, dann den dritten, auszurichten.
Alexander Hoeckle
Abteilungsleiter Außenwirtschaft + Zoll
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