Neues zur Arbeitszeiterfassung
Arbeitgeber müssen ein System zur Zeiterfassung einführen, um die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen, einschließlich Überstunden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seinem Beschluss klar, dass diese Pflicht für alle Arbeitnehmer gilt, egal ob im Büro oder im Homeoffice. Seit dem Beschluss des BAG vom 13. September 2022 mit seinen Feststellungen zur Arbeitszeiterfassung gab es Ankündigungen aus dem Bundesarbeitsministerium, diese Frage gesetzlich zu regeln. Nachdem im ersten Quartal keine Vorlage eines Referentenentwurfes vorgelegt wurde, kam vor wenigen Tagen, am 18. April 2023, ein Referentenentwurf des BMAS in Umlauf.
Dieser „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ beinhaltet im Wesentlichen folgende Punkte:
- Künftig sollen generell Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen sein. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Arbeitgeber, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen. Für alle anderen Arbeitgeber sind hinsichtlich der elektronischen Form Übergangsvorschriften vorgesehen, und zwar für Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmern ein Jahr, für Arbeitgeber ab 50 und weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern und mehr als 10 Arbeitnehmern fünf Jahre, jeweils ab Inkrafttreten des Gesetzes.
- Es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber die Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer oder Dritte delegieren kann.
- Der Arbeitgeber kann auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Er hat in diesem Fall jedoch sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit und der Ruhezeiten bekannt werden.
- Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten verlangen. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall ggf. eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen.
- Abweichungen können in sehr begrenztem Maße ausschließlich in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden, und zwar hinsichtlich der elektronischen Form, hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufzeichnung (bis max. sieben Tage nach Erbringung der Arbeitsleistung) sowie hinsichtlich Arbeitnehmern, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“.
- Die Ausnahmevorschriften des ArbZG (§§ 18 ff.), d.h. insbesondere für leitende Angestellte, bleiben unverändert. Für diese ist also auch in Zukunft keine Zeiterfassung vorgesehen.
- Daneben werden die Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten angepasst. Auch werden Änderungen im Jugendarbeitsschutzgesetz und der Offshore- Arbeitszeitverordnung vorgenommen.
Der BGA kritisiert diesen Entwurf als Bruch der im Koalitionsvertrag gemachten Versprechung, weiterhin Vertrauensarbeitszeit zu gewährleisten. Mit dem Entwurf wird ebenfalls nicht die vom Koalitionsvertrag angekündigte und dringend erforderliche Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit bzw. der Ruhezeiten angegangen. Stattdessen beschränkt er sich im Wesentlichen auf eine Regulierung der Arbeitszeiterfassung. Für diese ist trotz der vom BAG betonten gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume keine echte Formfreiheit vorgesehen.
Der für den Arbeitgeber mögliche Verzicht auf die Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen zielt auf die Flankierung der Vertrauensarbeitszeit. Dabei bleibt unklar, wie weit die dennoch erforderlichen Kontrollen zu reichen haben. Hier muss echte, zu einer modernen Arbeitswelt passende Vertrauensarbeitszeit ermöglicht werden, im Sinne der Beschäftigten und Unternehmen.
Kritisch sieht der BGA zudem die sehr begrenzten Abweichungsmöglichkeiten, die allein durch Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen aufgrund eines Tarifvertrages vorgesehen. Damit wird im Ergebnis nur ein geringer Teil der Beschäftigten von einer Lockerung profitieren können. Wenn der Gesetzgeber dies für die Breite der Wirtschaft und der Beschäftigtenverhältnisse ermöglichen will, muss er – die europäischen Vorgaben lassen dies auch zu – selbst regeln.
Dass ihm diese Gestaltungsmöglichkeit sehr bewusst ist, zeigt er auch durch das Nichtantasten der Ausnahmeregelung für den öffentlichen Dienst: hier gilt weiterhin eine echte Bereichsausnahme, d.h. in diesem Bereich soll auch weiterhin von einer Arbeitszeitaufzeichnung abgesehen werden können.
Ein positiver Punkt ist dem Entwurf dennoch abzugewinnen: Da das BAG seinen Beschluss vom 13. September 2022 nicht auf das Arbeitszeitgesetz, sondern auf das Arbeitsschutzgesetz gestützt hatte, war eine Regelung der Zeiterfassung in letzterem zu befürchten. In dem Fall hätte auch der Fortbestand der Ausnahmeregelung für leitende Angestellte in Frage gestanden.
Noch offen ist der weitere Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens. Der Referentenentwurf befindet sich dem Vernehmen nach in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Eine Verbändeanhörung ist bislang nicht eingeleitet. Auch zur zeitlichen Planung des weiteren Verfahrens ist derzeit noch nichts bekannt.
Judith Röder
Geschäftsführerin
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judith.roeder@bga.de
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