1. Deutscher Lieferkettentag 2023
Volles Verbändehaus zum 1. Deutschen Lieferkettentag am 18.10. von Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und Mittelstandsverbund (ZGV). 150 Teilnehmer informierten sich und diskutierten mit hochkarätig besetzten Panels über Regulierung und Digitalisierung des globalen Handels. Quintessenz: Die bürokratischen Herausforderungen für die Unternehmen sind groß und die Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen wirkt de facto nicht, weil Berichtspflichten weitergegeben werden. Digitale Lösungen wie Beschaffungsplattformen und KI-basierte Risikoanalysen für Lieferketten helfen Transparenz in den Wertschöpfungsketten zu schaffen und die richtigen Prioritäten zu setzen. Ohne mehr Nachhaltigkeit bei der Ausgestaltung von Lieferkettenprozessen wird es zukünftig nicht mehr gehen.
Inhaltlich eingeführt wurde der Tag mit einem forschungsbasierten Blick auf Lieferketten und Change Management Prozesse von Prof. Dr. Lisa Fröhlich, Supply Chain Expertin. Sie bezeichnete Nachhaltigkeit als derzeit wichtigstes Thema bei der Ausgestaltung von Lieferkettenprozessen. Die deutschen Unternehmen sollten nicht länger versuchen, die Spielregeln zu ändern, sondern das gesamte Spielfeld neu begreifen.
Im ersten Panel, „Lieferketten und Zeitenwende – wie gelingt die Neujustierung“, moderiert von Marius Müller-Böge, Leiter Mittelstandspolitik DER MITTELSTANDSVERBUND, ging es mit Vertretern und Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft um die Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie die zentrale Bedeutung eines umfassenden Lieferkettenmonitorings. Erstes Fazit: Die Bundesregierung weiß um den Umsetzungsumfang für die Unternehmen und ist gewillt handhabbare Regelungen zu schaffen, die machbar und zumutbar sind. Zudem will sie für eine europäische Regelung eintreten. Zweites Fazit: Es ist vor allem eine wirtschaftliche Frage, wie man Lieferketten organisiert. Dem Handel kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Gleichwohl stehen hinter den deutschen Lieferanten oftmals globale Lieferketten mit 16-18 Stufen. Diese mit heutigen Mitteln bis in die letzte Instanz transparent zu machen, ist oft unmöglich, die fortschreitende Digitalisierung wird aber Lösungen bieten.
Erste Ansätze wurden im nächsten Panel unter Moderation von Martin Groß-Albenhausen, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des bevh, deutlich. Ergebnis war: Blockchain kann als ein manipulationssicherer und automatisierter Signalgeber zwischen Partnern dienen, der eine Transaktion freigeben kann, wenn die nötigen Standards erfüllt werden. Aufwände der Unternehmen würden dadurch dramatisch sinken. Eine Lieferantenüberwachung wäre dann ergänzend mit künstlicher Intelligenz zu schaffen. Entsprechend trainierte Modelle erlauben ein weltweites Monitoring von Informationsquellen und könnten teils prädiktiv vor Risiken warnen. Für eine einfachere Nachweisbarkeit sorgen vermehrt auch digitale Beschaffungsplattformen. Zum einen haben Prüfsysteme dort direkte Einsicht, welche Zulieferer über benötigte Zertifikate von Prüfinstituten verfügen. Zum anderen wird ungeprüften Plattform-Verkäufern angeboten, sich über unabhängige Zertifizierungspartner verifizieren zu lassen. Allerdings: Eine völlige Auslagerung der Verantwortung an digitale Technologien kann es dennoch nicht geben. Vieles werde den Unternehmen erleichtert, sie bleiben aber in der Pflicht, mit ihren Lieferanten selbst zu sprechen und Mitarbeiter im Einkauf entsprechend zu schulen.
In einem ersten 1:1-Talk mit Antonin Finklenburg, Hauptgeschäftsführer des BGA warnte denn auch Torsten Safarik, Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Unternehmen eindringlich davor, ihre Sorgfaltspflichten auf ihre Zulieferer und Intermediäre abzuwenden. Das LKsG lege ausdrücklich eine Bemühenspflicht für jedes Unternehmen fest, die Lieferkettenüberwachung zu einer Kernkompetenz im eigenen Haus zu machen.
Lieferkettenfreundliche Rahmenbedingungen für den Mittelstand
Im Panel „Bekommt Deutschland ein neues Geschäftsmodell?“, moderiert von Dr. Ludwig Feldmann, Hauptgeschäftsführer DER MITTELSTANDSVERBUND, wurde festgestellt, dass sich die bestehenden Herausforderungen nur im engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft meistern lassen. Gerade der Mittelstand steht hier besonders im Fokus, denn die oft kleinen und mittleren Unternehmen sind essenziell auf lieferkettenfreundliche Rahmenbedingungen angewiesen. Diese zu schaffen und abzusichern, ist ein verbändeübergreifendes Anliegen und bestimmt die Agenda. Denn die Politik wälzt mit dem sogenannten Lieferkettengesetz eine im Kern staatlich-hoheitliche Aufgabe – nämlich für faire Rahmenbedingungen in Produktion und Handel Sorge zu tragen – auf die Wirtschaft ab. Staaten sollten vielmehr daraufhin arbeiten die Welthandelsorganisation einzubinden oder das Thema bei der Verhandlung internationaler Handelsabkommen berücksichtigen.
Den Abschluss des Tages bildete ein weiterer 1:1-Talk. Antonin Finkelnburg, Hauptgeschäftsführer des BGA sprach mit Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), über Ihre Sicht und Ihre Einstellung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG). Erfrischend dabei war, das Eingeständnis seinerzeit die heute zu konstatierenden Folgewirkungen des LKSG unterschätzt zu haben, diese Erfahrungen aber nun in den anstehenden Trilog zur EU-Lieferkettenrichtlinie einfließen zu lassen.
Alexander Hoeckle
Abteilungsleiter Außenwirtschaft + Zoll
Am Weidendamm 1 a, 10117 Berlin
030 59 00 99 565
alexander.hoeckle@bga.de
Späte Erleichterungen beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LksG)
Als BGA haben wir den gesamten Prozess von der Entstehung des Gesetzes bis zur Implementierung kritisch begleitet.
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