Entwicklungspolitik mit nachhaltiger Wirkung
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
Ein wesentliches Erfolgskriterium der Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist der Nutzen für die Wirtschaftspartner – sowohl in den Entwicklungs- und Schwellenländern als auch in Deutschland und Europa. Denn nur wenn beide Seiten von der gemeinsamen Handelsbeziehung profitieren, ist eine langfristige Partnerschaft möglich. Diese Win-Win-Situation legt die Basis für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den IPD-Partnerländern.
Neben der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit berücksichtigt das IPD zugleich auch die anderen beiden Säulen der Nachhaltigkeit – soziale und ökologische Aspekte – bei der Auswahl und der Förderung der Unternehmen im IPD-Programm:
Es ist das Ziel des IPD, die unterschiedlichen Facetten, wirtschaftliches Wachstum, Schutz der natürlichen Ressourcen und Stärkung der ländlichen Strukturen sowie Unterstützung der Menschen in den meist ländlich geprägten Regionen – insbesondere von Frauen und Familien, miteinander in Einklang zu bringen.
Im Interview stellt Judith Emmerling, Teamleiterin der Abteilung Sourcing und Märkte beim IPD in Berlin, den Nachhaltigkeitsansatz des IPD vor. Sie erläutert die Bedeutung der Nachhaltigkeit in den globalen Wirtschaftsbeziehungen, wie das IPD die Produzenten auf die Anforderungen des europäischen Marktes vorbereitet und wie schließlich Importeure vom Direkthandel mit IPD-Unternehmen auch mit Blick auf transparente Lieferketten profitieren können.
Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in der Arbeit des IPD?
Judith Emmerling: Nachhaltigkeit spielt beim IPD schon seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. Und angesichts der steigenden globalen Herausforderungen und regulatorischen Anforderungen nimmt auch die Bedeutung beim IPD zu. Denn das IPD arbeitet nachfrageorientiert. Getrieben durch das geänderte Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie gesetzliche Vorgaben ist Nachhaltigkeit für die Nachfrageseite eines der zentralen Themen unserer Zeit. Entsprechend richten wir unser Handeln danach aus. In den vergangenen Jahren haben wir unser Engagement im Bereich der Nachhaltigkeit stetig weiterentwickelt.
Es beginnt bereits mit der Nachhaltigkeit unserer Arbeit. Wir setzen auf eine längerfristige Unterstützung der Unternehmen aus den Projektländern. Sie sind drei Jahre im IPD-Programm. So können sie stabile Verbindungen zu Marktakteuren aufbauen. Unser Ziel ist es, nachhaltige Lieferbeziehungen aufzubauen und die Unternehmen in die europäischen Lieferketten zu integrieren. Zusätzlich arbeiten wir eng mit BSOs, also Business Support Organisations, in den Partnerländern zusammen. Auch hier unterstützen wir die Exportförderorganisationen und Fachverbände dabei, langfristig Dienstleistungen und Strukturen für den Außenhandel aufzubauen.
Welche Bedingungen müssen Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Environmental, Social, Governance(ESG) erfüllen, um in das IPD-Programm aufgenommen zu werden?
Judith Emmerling: Wir wollen die IPD-Unternehmen in unseren Partnerländern dazu befähigen, den Anforderungen des EU-Marktes gerecht zu werden. Sie sollen sich im Bereich Nachhaltigkeit breiter aufstellen und weiterentwickeln. Dabei unterstützen wir sie.
Beim Sourcing prüfen wir die Ausgangsbedingungen. Selbstverständlich sind Zertifizierungen wie das Bio-Siegel und die Beschäftigung mit ESG-Kriterien gut, aber sie sind keine Voraussetzung für die Aufnahme in das IPD-Programm. Vielmehr geht es darum, dass die Unternehmen die Bereitschaft haben, sich für ökologische und soziale Themen einzusetzen und Veränderungen im eigenen Unternehmen anzustoßen.
In unserer Arbeit erleben wir viele Unternehmen, denen das Wissen über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit fehlt. Sie müssen erst die Notwendigkeit sowie die möglichen positiven Auswirkungen auf ihr Unternehmen erkennen. Aber es gibt auch zahlreiche Firmen, die sich der Anforderungen der internationalen Märkte bewusst sind. Sie benötigen oftmals Unterstützung bei der Umsetzung. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Produzenten im IPD-Programm für ESG als wesentliche Voraussetzung für den EU-Markteintritt zu sensibilisieren und sie dann zu begleiten, entsprechende Maßnahmen umzusetzen.
Welche Schwerpunkte legt das IPD bei ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien?
Judith Emmerling: Die IPD-Schwerpunkte variieren, weil wir uns an den Anforderungen der Branchen orientieren. Manche Branchen setzen bestimmte Nachhaltigkeitszertifizierungen voraus. Im Obst- und Gemüsesektor zum Bespiel sind Zertifizierungen und Sozialaudits bereits seit einigen Jahren mehr oder weniger Pflicht. Und Zertifizierungen zum nachhaltigen Umgang mit Wasser gewinnen gerade an Bedeutung. In anderen Branchen sind Zertifizierungen weniger verbreitet. Dort geht es eher um konkrete Schritte, wie den Einsatz von alternativen Energiequellen und nachhaltiges Ressourcenmanagement. Wir haben also für unsere Sektoren unterschiedliche Kriterienkataloge: Für den Sektor nachhaltiger Tourismus haben wir zum Beispiel eine eigene IPD „Sustainability Scorecard“ entwickelt, mit der wir Firmen auf die Anforderung von offiziellen Nachhaltigkeits-Zertifizierungen vorbereiten.
Grundsätzlich zeigt es sich, dass Zertifizierungen auf dem europäischen Markt eine immer wichtigere Rolle spielen. Ein weiteres gutes Beispiel aus den Sektoren Natürliche Zutaten und Frisches Obst & Gemüse ist die Bio-Zertifizierung: Mit Blick auf den gesamten Lebensmittelbereich ist „Bio“ weiterhin ein Nischenangebot, aber in bestimmten Produktgruppen wird das Bio-Siegel vorausgesetzt bzw. Bio-Produkte werden deutlich stärker nachgefragt als konventionelle Erzeugnisse. Wir weisen unsere Unternehmen in den Partnerländern auf dieses Potenzial hin und begleiten sie beim Zertifizierungsprozess.
Auch der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit in internationalen Handelsbeziehungen ist ein wichtiges Thema, dessen Bedeutung zunimmt. Dies sehen wir bereits an neuen Vorgaben wie zum Beispiel dem Lieferkettengesetz. Wir ermutigen die Produzenten ihre eigenen länder-, produkt- und unternehmensspezifischen Risiken zu identifizieren und daraus Handlungen abzuleiten.
Darüber hinaus ist es für uns als entwicklungspolitisches Projekt wichtig, dass der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens bei den Menschen vor Ort ankommt. So sind zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Qualifizierung der Arbeitskräfte, Förderung von Frauen, die faire Zusammenarbeit mit Kleinbauern und das soziale Engagement in den Regionen weitere soziale Faktoren, auf die wir achten.
Wie unterstützt das IPD die Unternehmen im IPD-Programm dabei, den Nachhaltigkeitsanforderungen des EU-Markts gerecht werden?
Judith Emmerling: Bereits seit einigen Jahren haben wir ESG-Trainings eingeführt. Unser Ansatz ist es hierbei, die grundsätzliche Bedeutung von verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln aufzuzeigen und ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit zu vermitteln. Für viele Firmen ist ESG bereits ein Teil ihrer Kultur – unsere Trainings unterstützen sie bei der strategischen Verankerung im Unternehmen.
In den Trainings informieren wir die Unternehmen zudem sehr konkret über die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Marktanforderungen mit Blick auf Umwelt- und Sozialstandards. Die Einhaltung von sozialen Mindeststandards in der Lieferkette, wie Arbeitnehmerrechte, Arbeitsschutz und Mitbestimmung, ist zum Beispiel ein Thema. Zudem gehen wir im Detail auf branchen- und länderspezifische Umstände ein, die Einfluss auf nachhaltiges Verhalten haben können. Durch unsere Webinare und individuellen Coachings lernen die Unternehmen, die wichtigsten Ansatzpunkte in ihren Wertschöpfungsketten zu identifizieren. Am Ende der Trainings entsteht ein ESG-Action Plan, der individuell auf das Unternehmen zugeschnitten ist.
Die Erfahrung zeigt, aufgrund der intensiven Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen können die IPD-Unternehmen ihren Handelspartner glaubhaft und nachvollziehbar vermitteln, dass sie die relevanten ESG-Aspekte verstanden haben. Das schafft Vertrauen und minimiert zugleich das Risiko für europäische Unternehmen in der Lieferkette.
Wir sehen, der Bedarf an unseren ESG-Trainings ist groß. Wir arbeiten eng mit den BSOs in unseren Partnerländern zusammen und schulen sie, damit sie als Multiplikatoren das ESG-Wissen an ihre Mitgliedsunternehmen weitergeben können.
Wie profitieren Importeure vom Nachhaltigkeitsansatz des IPD?
Judith Emmerling: Importeure stehen vor großen Herausforderungen. Die steigenden gesetzlichen Anforderungen auf verschiedenen Ebenen setzen auch europäische Importeure immer mehr unter Zugzwang, ihre Lieferkette bezüglich Nachhaltigkeit zu überprüfen. Zugleich realisieren sie, dass ihre Lieferketten volatil werden. Also: Nachhaltigkeit und Stabilität sind gefragt.
IPD-Unternehmen haben den großen Vorteil, dass sie die Nachhaltigkeitsanforderungen kennen und meist bereits den internen Prozess gestartet haben. Sie sind also bereit, die Herausforderungen, die mit den Nachhaltigkeitskriterien verbunden sind, gemeinsam mit ihrem europäischen Geschäftspartner anzugehen.
Der Direkthandel mit IPD-Unternehmen bietet daher eine große Chance für europäische Unternehmen. Gemeinsam können die Partner nachhaltige Lieferketten entwickeln. Durch den Austausch, die Verständigung auf Prioritäten und die Berücksichtigung von individuellen Kriterien bauen die Partner vertrauensvolle Handelsbeziehungen auf. Sie schaffen eine Grundlage für nachhaltigen Handel und wirtschaftliche Stabilität – für beide Seiten.
Patrick Federl
Referent für Importförderung im Auftrag des Import Promotion Desk (IPD)
Am Weidendamm 1 a, 10117 Berlin
0176 465 965 51
patrick.federl@bga.de
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