Berlin | 08.10.2019

BGA: Wachstumstempo im Außenhandel nähert sich der Nulllinie – Klimaschutz nicht gegen Freihandel ausspielen

Auf breiter Front verlieren Weltwirtschaft und Welthandel an Kraft. Hinzu kommt innerhalb Europas insbesondere auch noch die lähmende Wirkung des sich endlos hinziehenden Brexits, der längerfristige unternehmerische Planungen  unmöglich macht.“ Dies erklärt Dr. Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., heute in Berlin anlässlich der Herbstpresse­konferenz des Verbandes zur Entwicklung des deutschen Außenhandels.

Wachstumstempo gegen Null

„Die Konsequenz daraus: Wir müssen wohl das laufende Jahr 2019 abschreiben und uns mit einer Schwarzen Null im Export zufriedengeben“, so Bingmann, wobei dies auch ein Mini-Wachstum von 0,5 Prozent heißen könne. Auch die Importe bleiben von der schwachen Exportentwicklung nicht unberührt und können nach aktueller BGA-Einschätzung im gleichen Zeitraum noch um zwei Prozent zulegen. Eine Besserung der Situation wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2020 erwartet.

Die drohenden – legalen – Strafzölle der EU infolge der ebenfalls anstehenden WTO-Entscheidung zu den illegalen Boeing-Subventionen folgten zwar politischer Logik, machten aber in erster Linie das Leben gegenseitig unnötig schwer. Zu befürchten sei auch, dass der handelspolitische Konflikt mit den USA weiter eskaliere, womit  weitere Lieferketten unter Druck gerieten, befürchtet der BGA-Präsident.

„Gerade in der aktuellen weltpolitischen Situation brauchen wir ein starkes Europa. Die neue Kommission sowie das neue EU-Parlament müssen dringend liefern und als eine Einheit handeln“, mahnte der Verbandschef. Man habe in diesem Zusam­men­hang hohe Erwartungen an  Phil Hogan, der als Handelskommissar künftig dem Kabinett der neuen EU-Kommissionspräsidentin angehören soll, und verbinde dies mit der Hoffnung, dass er das notwendige Fingerspitzengefühl habe, um die aktuellen Handelskonflikte der EU zu deeskalieren.

Neue Impulse erforderlich

Unter diesem wachsenden Druck ist der deutsche Außenhandel dringend auf neue Impulse angewiesen. Ein wichtiges Signal wäre die Ratifizierung von CETA. Das Abkommen wird schon seit zwei Jahren vorläufig an­gewandt und ist bereits ein großer Erfolg: Der bilaterale Güterhandel betrug 2018 mehr als 72 Milliarden Euro, das bedeutet einen Anstieg von 15 Prozent im Ver­gleich zu den drei Vorjahren. In Übereinstimmung mit den Regeln der WTO wird im Wesentlichen der gesamte Handel liberalisiert, unter Einbeziehung ehrgeiziger Nachhaltigkeitsziele.

Auch das Assoziierungsabkommen der EU mit dem Mercosur-Staatenbund hat einen hohen Stellenwert für den deutschen Außenhandel. Nach 20 schwierigen Verhandlungsjahren ist es gelungen, sich auf ein modernes und ausgewogenes Abkommen mit den südamerikanischen Partnerländern zu einigen. Die EU ist die erste Region weltweit, der das gelungen ist. Ein Wirtschaftsraum mit über 260 Millionen Konsumenten bedeutet einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil für die fast 13.000 deutschen Unternehmen, die schon jetzt dorthin exportieren. Davon sind 72 Prozent kleine und mittlere Unternehmen, die besonders von der Öffnung eines der bisher am meisten abgeschotteten Märkte profitieren würden.

„Die wenigen Chancen, die sich uns derzeit bieten, dürfen nicht leichtfertig verspielt werden. Das zielt insbesondere auf die überzogene Kritik, mit der zurzeit versucht wird, das Mercosur-Abkommen zu diskreditieren. Ohne das  Assoziierungs­abkommen wird kein einziger Baum weniger gerodet werden“, so Bingmann. Der behauptete Zusammenhang zwischen einem Handelsabkommen, das frühestens in einigen Jahren angewandt werden kann, und den aktuellen Bränden im Amazonas­gebiet, entbehre jeglicher Substanz. Vielmehr werde der Handelsvertrag ein umfang­reiches Nachhaltigkeitskapitel beinhalten, mit dem man über einen weiteren Hebel verfüge, um Länder wie Brasilien an internationale Abkommen wie das Pariser Klimaschutzabkommen und die ILO-Konventionen zu binden. Nutznießer eines Misserfolgs des Mercosur-Abkommens wäre vor allem China, das in der Vergangenheit seine Position in Brasilien sukzessive ausgebaut habe.

Klimaschutz nicht gegen Freihandel ausspielen

„Klimaschutz und freier Handel dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden! Es wäre hochgradig kontraproduktiv, wenn aus Umweltschutzerwägungen der weltweit vernetzte Handel Schaden nehme würde. Wir warnen daher vor der Einführung eines sogenannten Klimazolls“, so der Außenhandelspräsident. Dies bedeute nicht nur einen immensen administrativen Aufwand, sondern berge auch erhebliches handelspolitisches Konfliktpotential.. Sollte die EU eine solche Maßnahme ein­führen, die Importprodukte verteuere, seien Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten zu erwarten. Entwicklungsländer würden sich dabei besonders benachteiligt fühlen.

„Trotz aller Hiobsbotschaften ist für uns das Glas immer halbvoll und nicht halbleer. Wir müssen aber auch realistischerweise sagen, dass die konjunkturelle Durst­strecke wohl noch eine Weile anhalten wird. Umso wichtiger ist es in der jetzigen Situation, die Rahmen für unternehmerisches Handeln zu stärken“, so Bingmann abschließend.

33, Berlin, 8. Oktober 2019

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