Arbeitszeiterfassung – Großhandel fordert pragmatische Lösung
Volles Programm gab es auf der BGA-Geschäftsführerkonferenz letzte Woche. Bei der Jahresauftaktsitzung wurden die wichtigen Themen des Groß- und Außenhandels und seinen Dienstleistern für das Jahres diskutiert. Im Mittelpunkt standen hierbei die wirtschaftliche Lage im Großhandel, die Arbeitszeiterfassung und das Lieferkettengesetz. Ein Ausblick in die Logistik und Lieferketten gab Gastredner Deutsche Post DHLGroup- Vorstandsmitglied Tim Scharwath. Zum Abschluss stellten Sebastian Greul von Deloitte und Jörg Delhaes von Roland Berger die mit dem BGA erstellte Studie Sektoruntersuchung Großhandel vor.
Bereits am Vorabend-get-together gab der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, eine Einführung in die Themen Fachkräfteeinwanderung und Arbeitszeiterfassung. In dem Eckpunktepapier der Bundesregierung, das Neuregelungen skizziert, wird u.a. eine erleichterte Einwanderung von Menschen mit passender Berufserfahrung und mindestens zweijähriger einschlägiger Ausbildung im Herkunftsland enthalten sein. Kober berichtete, dass ein großer Streitpunkt in der Koalition die Zuwanderung in die Zeitarbeit sei, für die sich die FDP einsetzt. Über dieses Instrument kann mittelständischen Unternehmen einerseits und den betroffenen Menschen andererseits eine gute Perspektive geboten werden. Bei dem Thema Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung wartet der Ausschuss auf den Entwurf vom BMAS. Der FDP sei dabei wichtig, dass die Regelungen in die heutige Zeit passen, so Kober. Das EU-Recht gäbe dem nationalen Gesetzgeber hier Spielraum und der genutzt werden müsse.
Die Forderungen zu Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung vertiefte am nächsten Tag BGA-Geschäftsführerin Judith Röder. Drei Kernforderungen des BGA erläuterte sie:
1. Die Modernisierung des materiellen Arbeitszeitrechts an die moderne Arbeitswelt. Hierbei soll der europarechtlich zulässige Rahmen genutzt werden. Insbesondere muss ein Wechsel von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit erfolgen.
2. Der Gesetzgeber soll Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung vorsehen können, wo dies europarechtlich möglich ist. Zulässig ist dies für Beschäftigte und Tätigkeiten, in denen die Arbeitszeit nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.
Dritte Forderung ist die Flexibilität bei der Art und Weise der Aufzeichnung. Wenn der Gesetzgeber Regelungen zur Arbeitszeiterfassung trifft, muss er eine möglichst praktikable und bürokratiearme Lösung finden, die den vielfältigen Praxisanforderungen gerecht wird. So muss insbesondere eine Delegation der Erfassung auf die Beschäftigten und als Art der Erfassung vom Papier bis zur App alles möglich bleiben.
Stimmung im Großhandel verhalten
Den Sitzungstag eröffnete mit einer Einschätzung der konjunkturellen Lage im Großhandel BGA-Geschäftsführer Michael Alber. Alber erläuterte, dass die deutsche Wirtschaft mit einem Wachstum von 1,9 Prozent im Jahr 2022 robuster durch die Krise gekommen ist als erwartet. Die negativen Erwartungen haben sich somit nicht erfüllt. Allerdings sei die nachlassende Dynamik im Jahresverlauf nicht zu übersehen. Auch wenn die Umsätze 2022 um gut 16 Prozent gestiegen sein dürften, haben die Unternehmen nur etwa 1,8 Prozent mehr an Güter und Dienstleistungen verkaufen können. Erhöhte Kostenbelastungen aus steigenden Preisen für die benötigten Rohstoffe und andere Güter, vor allem für Strom und Wärme belasteten die Ertragslage in den Unternehmen und drückten erheblich auf die Stimmung. Entsprechend blieb die Stimmung nach dem BGA-Großhandelsklimaindikator weiter verhalten.
Es schloss sich der interne Teil der Geschäftsführerkonferenz an. BGA-Hauptgeschäftsführer Antonin Finkelnburg berichtete über die Erfolge der Verbandsarbeit seit der Mitgliederversammlung im Spätsommer 2022. Hierbei konnte weiterhin auf die bewährte enge Vernetzungen der BGA-Fachabteilungen mit den zuständigen Ministerien aufgebaut werden. Der Verband, so Finkelnburg, war bei den Verbandsabstimmungen stets beteiligt. Das galt sowohl für Ministerien und Bundestagsfraktionen, als auch für andere Verbände. Die Positionen des Großhandels, des Außenhandels und der unternehmensnahen Dienstleistungen fanden Gehör und wurden auf ganz unterschiedlichen Kanälen transportiert. Nach diesem kurzen Rückblick lenkte der Hauptgeschäftsführer den Fokus seiner Kolleginnen und Kollegen aber dann auf die Zukunft. Mit der Vorstellung und anschließenden Diskussion der Schwerpunktthemen 2023 positioniert sich der BGA zu den großen Herausforderungen des Jahres. Klare und eindeutige Botschaften, so Finkelnburg, sollen den BGA auch weiterhin zur verlässlichen und kompetenten Stimme des Handels machen. In der anschließenden Diskussion beteiligten sich die angereisten und zugeschalteten Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer rege und es zeigte sich das große Interesse der Mitgliedsverbände an der zukünftigen Agenda.
Durch Diversifizierung die Resilienz der Lieferketten stärken
Im Anschluss daran sprach Tim Scharwath, Vorstand bei Deutsche Post DHL Group für Luft-, See- und Straßenfracht, über die Situation im Logistiksektor. Die weltweite Lage sei nicht mehr von aufeinanderfolgenden Krisen geprägt, die Krisenstimmung halte seit Jahren dauerhaft an. Schwierig für den Frachtverkehr und die Lieferketten seien Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz.
Als Herausforderungen für die nähere und auch mittelfristige Zukunft sieht Scharwath, die Folgen der Coronapandemie, die Angst vor einer globalen Rezession, zunehmende Handelsspannungen, auch zwischen großen Partnern sowie die Herausforderungen des Klimawandels.
Er rät Unternehmen dazu, ihre Lieferketten möglichst resilient zu gestalten, Diversifizierung sei hier ein möglicher Ansatz. Allerdings sei eine vollständige Abkehr von chinesischen Importen in den nächsten Jahren nicht realistisch. Die Unternehmen sollten vielmehr verstärkt auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit setzen, auch um ihre Position am Markt zu stärken. Für Scharwath ist Wachstum weiterhin nur mit Globalisierung erreichbar.
Ein Update zum aktuellen Stand des Lieferkettensorgfaltsgesetzes (LkSG) und zur Europäischen Lieferkettenrichtlinie übernahm Lisa-Marie Brehmer, BGA-Europareferentin. Seit dem 1. Januar ist das LkSG in Kraft getreten. Zwar wurde der Zeitraum zur Abgabe der Berichte der Unternehmen für das Jahr 2023 auf Einwirken u.a. des BGA, um sechs Monate verschoben. Doch das Gesetz bleibt. Umso wichtiger ist es, sich bei der Europäische Lieferkettenrichtlinie, dafür einzusetzen, dass dieser Nachfolger nicht viel schärfer wird. Der BGA ist hier für seine Mitglieder in Brüssel bei der baldigen Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss im Europäischen Parlament, mit Unterstützung unseres europäischen Dachverbandes EuroCommerce, unterwegs.
Den Abschluss des Tages übernahmen Sebastian Greul von Deloitte und Jörg Delhaes, Roland Berger GmbH. Sie stellten die Strukturstudie „Sektoruntersuchung Großhandel – Strategisch in eine moderne und digitale Geschäftswelt“ vor. Die Ergebnisse zusammengefasst: Der Fachkräftemangel ist so gravierend, dass Unternehmensentwicklungen im Großhandel stark einschränkt sind. Eine stärkere digitale Präsenz und kundenorientierte Dienstleistungen rund um den klassischen Handel werden für die operative Ausrichtung immer wichtiger. Voraussetzung dafür sind motivierte und kontinuierlich weitergebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gute Voraussetzung für den Standort Deutschland, die die Politik schaffen muss.
Die Studie gibt es hier und weitere Informationen unter Aktuelles.
Michael Alber
Geschäftsführer
Am Weidendamm 1 a, 10117 Berlin
030 59 00 99 571
michael.alber@bga.de
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