25.04.2024

BGA-Ausschuss Steuern und Finanzen berät zu Weichenstellungen in Europa


Ein Ausblick auf die Europawahl am 9. Juni 2024 und auf anstehende steuerliche Themen standen im Mittelpunkt des virtuellen Austausches des Ausschusses Steuern und Finanzen am 11. April 2024 unter Leitung von Thorsten Klindworth, Mitglied des BGA-Präsidiums. Vorsitzender Klindworth verwies in seiner Eröffnung auf das aktuell schwierige wirtschaftliche Umfeld mit negativen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes und schwachen Umsätzen quer durch die verschiedenen Zweige des Großhandels. Zudem belasten multiple Herausforderungen die wirtschaftliche Entwicklung. Hohe Kosten für Energie, bei Steuern und Abgaben und vor allem Bürokratie lassen die Dynamik erlahmen. Als Stichworte nannte er Lieferkettensorgfaltspflichten (CSDDD), Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) und die Verpackungsverordnung. Er bekräftigte, dass ein „Schönreden“ dieser Sachverhalte nicht weiterhelfe, sondern ein entschlossenes Handeln zur Steigerung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit und somit der Abbau von Kostenbelastungen und Bürokratie erforderlich seien.
Zunächst begrüßte Vorsitzender Klindworth als politischen Gast Andreas Schwab, Mitglied des Vorstandes der Europäischen Volkspartei (EVP) und seit 2004 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Klindworth betonte, dass in einem konfliktreichen geopolitischen Umfeld eine starke und leistungsfähige Wirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa benötigt werde. Eine Überforderung durch nicht zeitgemäße und unpassende Regelungen wäre kontraproduktiv.

Europa: Marktwirtschaft mehr Freiraum geben, Unternehmen nicht überfordern!
Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen in Europa hat für die Unternehmen des Groß- und Außenhandels große Bedeutung. Rund 55 Prozent des Außenhandels wickeln Unternehmen aus Deutschland mit Partnern im übrigen Gemeinschaftsgebiet ab. Im Mittelpunkt standen somit Fragen der Unterstützung von ordentlich wirtschaftenden Unternehmen. Im Austausch ging Europaabgeordneter Schwab auf zahlreiche Themen der aktuellen europäischen Gesetzgebung ein, so insbesondere auf die Lieferkettensorgfaltspflichten CSDDD, die Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD und insbesondere die Late Payments Regulation sowie den Customs Code.

Zur Late Payments Regulation merkt er an, dass die EVP sich stark für eine Verschiebung der bevorstehenden Abstimmung am 24. April 2024 einsetzt. Auch nach seiner Einschätzung sind verlängerte Zahlungsziele ein wesentliches Mittel zur Finanzierung von mittelständischen Unternehmen, und die Vorfinanzierungsfunktion stellt einen wesentlichen Bestandteil der Businessmodelle dar. Er geht von einem baldigen Einstellen der Verordnung aus, da der Rat der EU keine Übereinkunft diesbezüglich treffen kann.

Im Hinblick auf die bevorstehende Europawahl erwartet Andreas Schwab von der neuen EU-Kommission und dem Europäischen Parlament, dass in den nächsten fünf Jahre weniger Misstrauen und dafür mehr Freiheit gegenüber der Wirtschaft erfolgen muss. Er nahm die Verärgerung vieler Unternehmer über die Flut an Berichtspflichten und Bürokratiebelastung auf und schlug konkret vor, zu diskutieren, ob die Integration von Informations- und Berichtspflichten aus der CSDDD in den innereuropäischen Zollkodex zu einer Reduzierung von Aufwand und Bürokratie führe. Er lud den BGA ausdrücklich ein, in seinen Gremien sich mit dem Vorschlag zu befassen und den Dialog mit ihm hierzu fortzuführen.

Einfuhrumsatzsteuer: Praxisprobleme und Lösungsweg
Der BGA unterstützt seit vielen Jahren die Beseitigung eines steuerlichen Nachteils für aus Drittstaaten importierende Unternehmen in Deutschland bei der Einfuhrumsatzsteuer. Die Probleme in der betrieblichen Praxis mit der Einfuhrumsatzsteuer, der Zollanmeldung und dem Vorsteuerabzug erläuterte RAin Dr. Nathalie Harksen, Partnerin beim Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft AWB International GmbH mit Sitz in Münster, München, und Hamburg. Die ging dabei auf die Situation in Deutschland, die Veränderungen durch Einführung des sog. Fristenmodells zum 1. Dezember 2020 ein und verglich diese mit einer Direktverrechnungslösung wie sie in anderen EU-Staaten zur Anwendung kommt. Angesichts der Liquiditätsnachteile und des Aufwandes mit der Anforderung an Aufschubkonten für die Fälligkeitslösung plädierte sie für die Umsetzung des Artikel 211 Abs. 2 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie in nationales Recht durch Einführung einer Direktverrechnung von Einfuhrumsatzsteuer und dem entsprechenden Vorsteuerabzug. Übereinstimmend bestand die Erwartung, dass die Finanzministerkonferenz (FMK), die ebenfalls zu dieser Thematik am 11. April 2024 beraten hat, den Weg für eine Fortentwicklung der Fristenlösung zu einem Verrechnungsmodell öffnet.
Nach Informationen des BGA hat die FMK an diesem Tag tatsächlich den Evaluationsbericht zur Fristenlösung bei der Einfuhrumsatzsteuer zur Kenntnis genommen und einvernehmlich beschlossen, das Bundesministerium der Finanzen in Zusammenarbeit mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu bitten, zunächst die erforderlichen Schritte und Gesetzesanpassungen zu benennen, die zur Erarbeitung der Einführung des Verrechnungsmodells erforderlich sind. Nach dem Evaluationsbericht erscheint ein Verrechnungsmodell grundsätzlich möglich, wäre allerdings nach Einschätzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe allenfalls mittel- bis langfristig realisierbar. Der BGA sieht darin ein positives Signal, da nun der Weg für die entsprechenden Weichenstellungen geöffnet wurde. Der BGA wie auch zahlreiche weitere Wirtschaftsverbände erwarten von der Einführung einer Verrechnungslösung der Einfuhrumsatzsteuer und dem entsprechenden Vorsteuerabzug eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland.

Mit Wachstumschancengesetz eRechnung verabschiedet
Geschäftsführer Alber berichtete abschließend über den Beschluss des Ergebnisses des Vermittlungsverfahrens zum Wachstumschancengesetz durch Bundestag und Bundesrat, das sich in Vorbereitung befindende Jahressteuergesetz 2024 und das Bürokratieentlastungsgesetz IV. Er hob hervor, dass lange geforderte Verbesserungen bei der Thesaurierungsbegünstigung und der Körperschaftsteueroption nun umgesetzt wurden, aber auch eine Reihe an Entlastungen u. a. bei der Verlustverrechnung und den Abschreibungen auf der Strecke geblieben sind. Der BGA habe das Gesetz als einen kleinen Schritt hin zu einer Unternehmensteuer begrüßt, auch wenn es unter den Anforderungen blieb. Aus Sicht des BGA muss daher eine strukturelle Unternehmensteuerreform auf der Agenda bleiben.
Beim Jahressteuergesetz bleibe abzuwarten, ob die eher technischen Rechtsänderungen noch mit politischen Forderungen, z. B. den aus dem Wachstumschancengesetz entfallenen, nationalen Meldepflichten von Steuergestaltungen befrachtet werden. Und beim BEG IV sei bedauerlich, dass viele der Vorschläge vom Frühjahr 2023 bislang nicht aufgegriffen wurden. Der BGA habe daher in seiner Stellungnahme weitergehende Schritte angemahnt. Zudem beabsichtige der BGA dem Anliegen des Mittelstandsbeauftragen des SPD-Bundestagsfraktion zu entsprechen und drei Prioritäre steuerliche Maßnahmen erneut vorzubringen. Angeführt wurden die Vereinfachung der Aufzeichnungspflichten für Werbeartikel, die Abschaffung der KFZ-Alteilebesteuerung sowie die Einführung einer Verrechnungslösung bei der Einfuhrumsatzsteuer. Aus Reihen betroffener Mitgliedsverbände wurden dies Schwerpunkte unterstützt.
Als aktuelles Thema von besonderer Bedeutung sprach Alber an, dass mit dem Wachstumschancengesetz die Einführung einer eRechnung ab 1. Januar 2025 verabschiedet worden sei. Hintergrund ist, dass der Vorschlag der EU-Kommission zur „Umsatzsteuer im digitalen Zeitalter“ (ViDA) vom 8. Dezember 2022 die Einführung der eRechnung für grenzüberschreitende Umsatze verbunden mit einer digitalen Meldepflicht ab 2028 verpflichtend vorsieht. Mit Blick auf diese Überlegungen hat die Bundesregierung die Ermächtigung von der EU-Kommission erhalten, auf nationaler Ebene eine eRechnung einzuführen. Die mit dem Gesetz beschlossenen Regelungen sehen die Einführung einer obligatorischen eRechnung ab 1. Januar 2025 mit Übergangsregelungen vor. Zwar müssen Unternehmen ab 2025 digitale Rechnungen nach einem strukturierten Format auf Grundlage einer EU-Norm empfangen können, für die Ausstellung einer eRechung bestehen aber Übergangsregelungen. Diese beinhalten Übergangszeitraums für die Ausstellung sonstiger Rechnungen, u. a. Papierrechnungen, bis zum 31.12.2026, und einen Übergangszeitraum für kleinere Unternehmen (Gesamtumsatz ≤ 800.000 Euro) zum 31.12.2027. Auch das EDI-Verfahren, das nicht der EU-Norm entspricht, kann bis zum 31.12.2027 weiter angewandt werden.

Aus Sicht des BGA bestehe nun Beratungsbedarf in zwei Punkten. Angesichts einer Vielzahl an offenen Fragen aus der betrieblichen Praxis bei der Einführung der eRechnung, die vom BGA und weiteren Verbänden bereits an das Bundesministerium der Finanzen herangetragen wurden, und der verbleibenden kurzen Zeit, unterstützt der BGA-Ausschuss Steuern und Finanzen die Zielsetzung, eine gesetzliche Verschiebung der Einführung zu erreichen. Unabhängig beabsichtigt der BGA gemeinsam mit der Steuerberatungsgesellschaft Deloitte Mitgliedsverbänden und vor allem Mitgliedsunternehmen in einem Workshop zur eRechung am Donnerstag, 16. Mai 2024, die Möglichkeit zu geben, sich über die rechtlichen und technischen Anforderungen zu informieren. Der BGA bleibt mit diesen Aktivitäten am Ball der Steuerpolitik.
 

Michael Alber
Geschäftsführer
Am Weidendamm 1 a, 10117 Berlin
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michael.alber@bga.de